Blankestijn steht seit September letzten Jahres an der Spitze von NLinBusiness.com. Diese Organisation ist eine Initiative des Arbeitgeberverbands VNO-NCW und unterstützt von Den Haag aus Unternehmer bei ihrer Geschäftstätigkeit im Ausland. Dank ihres großen weltweiten Netzwerks (zu dem auch die Deutsch-Niederländische Handelskammer gehört) können sie Unternehmer schnell mit dem richtigen Ansprechpartner im gewünschten Land verbinden. Und das soll zunehmend auf digitalem Wege geschehen. Mehr Einblick und bessere Vorbereitung „Die Digitalisierung war einer der Gründe, warum man mich gebeten hat, hier einzusteigen“, erklärt die neue Direktorin. „Ich habe technische Betriebswirtschaftslehre studiert und dann bei mehreren großen Unternehmen den Sprung in die Digitalisierung gewagt. So habe ich bei PostNL mit dem E-Commerce begonnen und bei Aegon den Online-Vertrieb für Bank- und Rentenprodukte aufgebaut. Das Tolle an der Digitalisierung ist, dass man komplexe Sachverhalte transparent und IT nutzen kann, um ein Produkt besser oder einfacher zu machen.“ Das will sie auch bei NLinBusiness tun. „Denn für Unternehmen ist oft vieles unklar, wenn sie die ersten Schritte über die Grenze wagen wollen. Wir sehen, dass Unternehmer es oft einfach versuchen, aber am Ende auf unerwartete Hindernisse stoßen.“ Sie erklärt, dass dies oft mit kulturellen Unterschieden zusammenhängt. „Was in den Niederlanden als selbstverständlich gilt, kann im Ausland ganz anders sein, und dafür muss man nicht einmal weit weg gehen.“ Laut Blankestijn beginnt es mit der richtigen Anrede. „Ein Unternehmer hat zum Beispiel eine eher joviale E-Mail an einen potenziellen ausländischen Handelspartner geschickt und eine sehr formelle Antwort zurückbekommen. Dann ist der Start schon mal nicht gut.“ Als weiteres Beispiel nennt sie ein niederländisches Unternehmen, das „Borrelplankjes“ (eine Art Getränketafeln) anbietet. „Damit wollten sie nach Belgien gehen, aber in Belgien haben sie keine Ahnung, was ein Borrelplank ist.“ Neben diesen kulturellen Unterschieden sind es auch die ganz praktischen und greifbaren Unterschiede, zum Beispiel in Bezug auf Gesetze und Vorschriften, die den niederländischen Unternehmern klar gemacht werden müssen. Digitaler Marktplatz für Unternehmer Um diese Einsicht zu gewährleisten, setzt NLinBusiness jetzt verstärkt auf digitale Tools, unter anderem auf ihren digitalen Marktplatz. Dies erleichtert den Internationalisierungsprozess für Unternehmen und sorgt für Transparenz. Blankestijn erklärt, dass sie dabei sind, den Marktplatz um ein Online-Matchmaking-Tool zu erweitern. „In diesem Tool wählen Sie das Land, für das Sie sich interessieren, den Sektor, in dem Sie tätig sind, und die Dienstleistung, die Sie benötigen. Dann erhalten Sie mehrere Optionen mit geeigneten Organisationen oder Einzelpersonen, die Sie kontaktieren können. Auf diese Weise können Unternehmer Fallstricke vermeiden und werden sofort mit den richtigen Kontakten in einem bestimmten Land verbunden. NLinBusiness konzentriert sich mit diesem Tool vorerst auf Frankreich und Deutschland. „Dies sind unsere größten Handelspartner und daher gute Länder, um das Tool zu testen“, erklärt Blankestijn. Denn die Zahl der NLinBusiness-Partnerländer ist groß: „Wir bedienen 43 Länder. Das sind die Länder, in denen das Interesse der Wirtschaft am größten ist, und das sind daher auch die Länder, in denen wir Hubs und andere Kontakte haben.“ Und wird jetzt alles digital? „Natürlich veranstalten wir auch unsere internationalen Geschäftstage und führen traditionelle Telefonate“, sagt Blankestijn. „Aber indem wir uns auf die Digitalisierung konzentrieren, erwarten wir, dass wir mehr Unternehmern noch besser helfen können. Außerdem erhalten wir dadurch einen Einblick in das, was die Unternehmer suchen, zum Beispiel durch ihr Klickverhalten. So können wir den Marktplatz und das Tool ständig optimieren und Unternehmer schneller zum internationalen Erfolg führen.“
Jahrelang wurde das Gespräch zwischen den Häfen von der Frage beherrscht, welcher der Größte sei. Wenn ich mich heute mit den GeschäftsführerInnen der Hafenunternehmen in Nordwesteuropa zusammensetze, sprechen wir nicht mehr über das Umschlagvolumen, sondern darüber, wie wir gemeinsam eine nachhaltige Zukunft für die Industrie in Europa sichern können. Geopolitische Spannungen und zunehmender Druck auf die Industrie erfordern eine intelligente Nutzung der europäischen Häfen, um unsere strategische Autonomie zu sichern. Der Hafen von Rotterdam verfügt über einen großen Industriekomplex und ist eine wichtige Drehscheibe für Container, Energie und Rohstoffe. Hier, wie auch in vielen anderen europäischen Häfen, treffen große Herausforderungen aufeinander: ein nachhaltigerer internationaler Verkehr, zuverlässige Logistikketten für Unternehmen und VerbraucherInnen und die Beschleunigung der Nachhaltigkeit der Industrie - ohne Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Die Häfen können und wollen daher eine tragende Rolle bei der Zukunftssicherung Europas spielen. Nehmen wir zum Beispiel die verarbeitende Industrie im Dreieck zwischen den flämisch-niederländischen Häfen und dem deutschen Ruhrgebiet, auf das ein großer Teil der europäischen Produktion entfällt. Die Unternehmen der Chemie- und Stahlindustrie sind in den Häfen angesiedelt, weil sie mit - inzwischen weitgehend fossilen - Rohstoffen und Energie versorgt werden. Das sind große Emittenten, die eine große Verantwortung haben, ihre CO2-Emissionen schnell zu reduzieren. Sie sind auch die Unternehmen, die es uns ermöglichen, Elektronik und Medizin ebenso wie Windräder, Dämmstoffe und Solarzellen in Europa herzustellen. Die meist internationalen Unternehmenszentralen fragen sich nun, ob sie noch eine Zukunft in Europa haben. Das ist besorgniserregend, denn gerade die Industrie kann dazu beitragen unsere Gesellschaft nachhaltiger zu machen. Der Rotterdamer Hafen will gemeinsam mit den Häfen Antwerpen-Brügge, Duisburg und North Sea Port eine Vorreiterrolle bei der Verbesserung des Investitionsklimas für die Industrie in Europa übernehmen, damit die Unternehmen hier in Nachhaltigkeit investieren können. Verwalter von Industrieclustern passen wir gemeinsam unsere Infrastruktur an die Rohstoffe und Energien von morgen an, wie zum Beispiel Wasserstoff, damit die nachhaltige Industrie auch weiterhin effizient arbeiten kann. Die Häfen stellen fest, dass viele Industrieunternehmen in die Nachhaltigkeit ihrer Produktion investieren wollen, aber noch keine endgültige Investitionsentscheidung getroffen haben. Für sie ist es von entscheidender Bedeutung, dass das europäische Investitionsklima ausreichend Sicherheit und Perspektive für die Zukunft bietet. Das europäische Emissionshandelssystem (ETS) ermutigt die Industrie, nachhaltiger zu werden, und der Mechanismus zur Anpassung der Kohlenstoffgrenzwerte (CBAM) sorgt für weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen. Eine breit angelegte, stimulierende europäische Industriepolitik ist eine notwendige Ergänzung, um Unternehmen am Standort zu halten, vor allem wenn Europa seine Abhängigkeiten von anderen Ländern verringern und bei der innovativen, nachhaltigen Produktion führend bleiben will. Der Platz in den Häfen ist bereits knapp, und eine nachhaltigere Produktion, z. B. durch zirkuläre Verfahren, erfordert viel mehr Raum und stellt mitunter vorübergehend eine zusätzliche Belastung für die Umgebung dar. Wir müssen daher gemeinsam prüfen, welche Maßnahmen wir in Europa wirklich brauchen. Wo steht dieser Platz zur Verfügung - physisch und im Rahmen der Rechtsprechung? Wie werden unsere Häfen und unsere Industrie im Jahr 2050 aussehen, wenn sie klimaneutral geworden sind? Diese Fragen können wir nur gemeinsam beantworten, indem nationale Regierungen die Industrie international betrachten und Europa in diesem Bereich stärker zusammenwächst. Wenn die europäischen Regierungen dies nicht tun, werden Investitionen in die Nachhaltigkeit in Europa ausbleiben und die Industrie wird sich außerhalb Europas ansiedeln. Das bedeutet mehr Importe von außerhalb der EU mit negativen Folgen für das Klima, unsere strategische Autonomie und unseren Wohlstand. Ich hoffe, dass die Industrie die Möglichkeit bekommt, den notwendigen Wandel in Europa zu vollziehen. Dazu brauchen wir einen gesunden Wettbewerb und zugleich eine stärkere Zusammenarbeit bei der Energiewende. Boudewijn Siemons, CEO, Port of Rotterdam Authority
Da es in den Niederlanden keine Arbeitsgerichte gibt, entschied das höchste Zivilgericht Ende März 2024 mit wegweisender Entscheidung letztinstanzlich über die Klage der Gewerkschaft FNV gegen den Essenslieferanten Deliveroo. Arbeitsvertrag oder Auftragsverhältnis Zunächst eine kurze Darstellung der Ausgangssituation: Im Sommer 2015 nahm Deliveroo in den Niederlanden den Betrieb auf. Bis ins Jahr 2018 hinein schloss Deliveroo mit den Lieferpersonen einen Arbeitsvertrag ab. Im Jahr 2018 änderte sich dies und die Verträge wurden fortan als Auftragsvereinbarungen bezeichnet. Mitte 2018 hat die Gewerkschaft FNV hiergegen Klage erhoben. Nach Meinung der Gewerkschaft lagen keine Auftragsverhältnisse, sondern Arbeitsverträge vor. Hiergegen wehrte sich Deliveroo juristisch. Allerdings vergeblich: Deliveroo unterlag auch in letzter Instanz. Das höchste Zivilgericht urteilte: Die essenausliefernden Personen sind Arbeitnehmer und keine Selbstständigen. Die Gestaltung, den Vertrag als Auftragsverhältnis zu bezeichnen, greift demnach nicht. Die Gesamtumstände und vor allem der verwendete Algorithmus für die Zuweisung und Verteilung von Liefermöglichkeiten an die essensausliefernden Personen sorgten für eine weitreichende Kontrollmöglichkeit durch Deliveroo. Daraus folgerte das Gericht, dass die ausliefernden Personen in den Betrieb eingegliedert sind und die geschlossenen Verträge als Arbeitsverträge zu betrachten sind. Die Entscheidung hat für Deliveroo zur Folge, dass nun erhebliche Zahlungen zu leisten sind, da zahlreiche Arbeitsverträge weiterbestehen, weil diese nicht rechtswirksam beendet wurden. Chancen und Freiheiten der Person Worauf muss also geachtet werden, wenn Unternehmen keine Arbeitsverträge abschließen wollen? Viel deutlicher ist seit dem Gerichtsurteil, dass es von erheblicher Bedeutung ist, ob sich die jeweilige Person wie ein Unternehmer verhalten kann. Dabei sind die Möglichkeit, einen eigenen guten Ruf zu erlangen, die steuerliche Beurteilung, die Anzahl der Auftraggeber sowie die Dauer, die die Person für einen einzelnen Auftraggeber tätig ist, von entscheidender Bedeutung. Je mehr Raum eine Person hat, sich selbst wie ein Unternehmer am Markt zu verhalten, umso größer ist die Chance, dass diese Person als Selbstständiger zu qualifizieren ist – und umso geringer die Chance, dass diese Person als Arbeitnehmer zu betrachten ist. In der Entscheidung wurde außerdem hierauf hingewiesen: Je mehr Freiheit eine Person hat, die Tätigkeit auszuführen, desto wahrscheinlicher ist es, dass es sich um einen Selbstständigen handelt. Die Freiheit, Tätigkeiten abzulehnen, kann daher ein entscheidender Hinweis sein. Weniger entscheidend ist laut Urteil, ob sich die Person durch Dritte vertreten lassen kann. In der Praxis kam dies im beurteilten Streitfall in Einzelfällen vor. Als Folge für die Praxis gilt damit: Alle Gesamtumstände des Einzelfalls sind abzuwägen. Die Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers ist nur ein Gesichtspunkt für diese Beurteilung und nicht der Ausgangspunkt dafür, ob ein Über- und Unterordnungsverhältnis vorliegt. Risiken vermeiden Mit dieser Entscheidung hat das höchste niederländische Zivilgericht mehr darauf geachtet, ob sich die tätig werdende Person wie ein Unternehmer verhalten kann, und zum Beispiel mit Wettbewerbern ebenfalls Verträge abschließen kann. Sehr deutlich wurde in der Entscheidung, dass die Intention, den Schutz eines Arbeitsverhältnisses zu umgehen, wenig Nutzen hat in Bezug auf das Ergebnis der Gesamtbeurteilung. Wer mit Selbstständigen arbeiten will, sollte dies gründlich vorab prüfen lassen, um das Risiko von erheblichen Zahlungen zu verhindern. Letztendlich hat das höchste Zivilgericht hier auch den niederländischen Gesetzgeber sowie den europäischen Gesetzgeber in die Pflicht genommen, Regelungen zu schaffen. DNHK, Maud Scharley Quellen: ECLI:NL:HR:2023:443, Hoge Raad, 21/02090 (rechtspraak.nl) ECLI:NL:PHR:2022:578, Parket bij de Hoge Raad, 21/02090 (rechtspraak.nl) ECLI:NL:GHAMS:2021:392, Gerechtshof Amsterdam, 200.261.051/01 (rechtspraak.nl)
Eine große Mehrheit der Unternehmen sieht in wichtigen Entwicklungen der EU einen konkreten Nutzen für Unternehmen. Dazu zählen vor allem Faktoren wie politische Stabilität (82 Prozent), eine gemeinsame, stabile Währung (76 Prozent), einheitliche EU-Normen und Standards (68 Prozent), der Zugang zu europäischen Märkten (66 Prozent), weniger Wettbewerbsverzerrungen (64 Prozent) und die Anwerbung von Fachkräften aus anderen EU-Staaten (61 Prozent). Alarmierend ist jedoch, dass fast zwei Drittel der deutschen Industrieunternehmen der Meinung sind, dass die EU als Standort in den letzten fünf Jahren an Attraktivität verloren hat. Nur fünf Prozent sehen verbesserte Standortbedingungen. Über alle Branchen hinweg sehen 56 Prozent eine abnehmende und lediglich sieben Prozent eine zunehmende Attraktivität. Top-Themen: Bürokratieabbau, Energieversorgung und Cybersicherheit Dringenden Handlungsbedarf, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes EU zu verbessern, sehen die Unternehmen vor allem beim Thema Bürokratie. 95 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die EU dem Bürokratieabbau höchste Priorität einräumen sollte. Der Grund dafür ist, dass Doppelungen von Vorschriften und uneinheitliche Berichtspflichten zur Norm geworden sind. Das kostet Zeit, Geld und Personalressourcen. 2023 entfielen auf jedes abgeschaffte EU-Gesetz fünf neue. Die DIHK fordert daher, dass die notwendigen Initiativen in der nächsten Legislaturperiode konsequent umgesetzt werden, damit die Entlastung für die Unternehmen schnell und konkret spürbar wird. Mehr als zwei Drittel der Unternehmen (68 Prozent) wünschen sich eine stabile und bezahlbare Energieversorgung als zweiten Schwerpunkt der kommenden EU-Politik. In energieintensiven Branchen sind es sogar 76 Prozent. Die Unternehmen betonen auch, dass ein wirksamer Schutz vor Cyberangriffen immer wichtiger wird. Etwa die Hälfte der Unternehmen (52 Prozent) gab an, dass die Verhinderung digitaler Angriffe eine zusätzliche Priorität für die EU sein sollte. Attraktiver Standort Europa Um im internationalen Wettbewerb nicht an Boden zu verlieren, muss die EU notwendige Initiativen, wie etwa den Bürokratieabbau, zeitnah in der nächsten Legislaturperiode, umsetzen. Denn so können UnternehmerInnen ihre Ressourcen anders bündeln und etwa Betrieb und Geschäftsaktivitäten klimagerechter umgestalten. Weitere Chancen für die EU als Wirtschaftsstandort liegen besonders in der Förderung von Innovation, technologischem Fortschritt, dem Stärken der Digitalisierung und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz. Text: Vivien Caesar
Aus Sicht der Deutsch-Niederländischen Handelskammer gibt es die folgenden zehn Punkte, an denen dringend gearbeitet werden muss: 1. Abbau der Bürokratie Für jedes abgeschaffte europäische Gesetz entstanden 2023 fünf neue Gesetze – so ist es keine Überraschung, dass 95 Prozent der Unternehmen im Unternehmensbarometer einen Bürokratieabbau als wichtigstes Instrument sehen, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu verbessern. Der Bürokratieabbau ist keine neue Forderung. Und immer wieder kündigen EU-Politiker an, hier Abhilfe schaffen zu wollen. Zuletzt forderte unter anderem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor genau einem Jahr öffentlichkeitswirksam, die Berichtspflichten in der EU um 25 Prozent senken zu wollen. Ein Jahr später jedoch gibt es statt weniger mehr Bürokratie. Ein gutes Beispiel hierfür ist das europäische Lieferkettengesetz: 43 Prozent der befragten Unternehmen stufen es als negativ für die Wettbewerbsfähigkeit der EU ein. 2. Schnellere Genehmigungsverfahren Neben kleinteiligen Dokumentationspflichten drücken komplexe Zulassungs- und Genehmigungsverfahren auf die Innovations- und Investitionsbereitschaft. Und dabei geht es doch auch anders, wie das „Deutschlandtempo“ von Bundeskanzler Olaf Scholz beim Bau von LNG-Terminals nach Ausbruch des Ukrainekrieges gezeigt hat. Doch leider bleiben zügige Genehmigungsverfahren bislang noch die Ausnahme. Feste Zeitlimits für Genehmigungsverfahren in allen Wirtschaftsbereichen wären ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Und auch für Genehmigungsverfahren gilt: Weniger ist mehr – auch hier sollten die Informations- und Berichtspflichten nicht weiter erhöht, sondern eingedämmt werden. 3. International wettbewerbsfähige Energiepreise Die hohen Energiepreise bringen den Wirtschaftsstandort Europa an seine Grenzen. Um in der EU weiterhin global wettbewerbsfähig produzieren zu können, sollten Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit noch besser miteinander in Einklang gebracht werden. Dies bedeutet für die Übergangszeit – bis günstige erneuerbare Energie in ausreichendem Maße zur Verfügung steht – eine unkompliziertere Entlastung von Unternehmen. Auch ein vollständig integrierter Strombinnenmarkt kann zu günstigeren Strompreisen innerhalb der EU führen. Die Aufteilung Europas in zahlreiche kleinteilige Preiszonen hingegen ist ein Kostentreiber für die Wirtschaft. Darum sollte eine gemeinsame europäische Energieinfrastruktur, vom Stromnetz bis zu Wasserstoffleitungen, politisch vorangetrieben werden. Ansonsten drohen die energieintensiven Industrien abzuwandern und die für den Wettbewerbsstandort Europa so wichtigen zukunftsweisenden Ansiedlungen wie Chip-Herstellern oder Batterieproduzenten auf Grund der hohen Energiekosten auszubleiben. 4. Erhöhung der Resilienz von Wertschöpfungs- und Lieferketten Die Lieferkettenunterbrechungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Europa die Resilienz seiner Wertschöpfungs- und Lieferketten erhöhen sollte, um die Versorgungssicherheit bei Energie, Rohstoffen und strategisch wichtigen Technologien sicherzustellen. Einseitige Abhängigkeiten gegenüber einzelnen Lieferländern sollten reduziert werden. Unternehmen diversifizieren bereits selbst ihre Lieferketten – neben neuen Handels- und Rohstoffabkommen brauchen sie aber auch zusätzliche Unterstützung von der EU über einen staatlich geförderten Aufbau neuer Wertschöpfungsketten in der EU. Und auch hier gilt: Die Notifizierungsverfahren müssen deutlich beschleunigt ausgestaltet werden. 5. Innovation und Forschung in der EU stärken Unternehmen berichten immer wieder, dass übermäßige Regulierung und der nicht ausreichende Transfer von der Wissenschaft in marktreife Produkte der Unternehmen die größten Hemmnisse für weitere Innovationen sind. Doch auch die finanziellen Mittel müssen erhöht werden: Zwar gehört Deutschland im weltweiten Vergleich zu den Ländern mit den höchsten Innovations- und Forschungsausgaben im Verhältnis zum BIP, jedoch liegt der EU-weite Durchschnitt (2,32 Prozent) weit hinter Südkorea (4,81 Prozent), den USA (3,45 Prozent) und Japan (3,26 Prozent) zurück. 6. Handelsabkommen voranbringen Die internationale Zusammenarbeit mit wichtigen Handelspartnern muss durch neue Handelsabkommen verbessert werden. Die EU sollte dabei bilaterale Handelsabkommen nicht mit wirtschaftsfremden Themen überladen, damit sie einfacher zum Abschluss gebracht werden können. Insbesondere die Ratifizierung des EU-Abkommens mit den Mercosur-Staaten und die Verhandlungen der Abkommen mit Indien sollten abgeschlossen werden. 7. Datennutzung ermöglichen Daten sind ein wichtiges Wirtschaftsgut und entscheidender Wettbewerbsfaktor für Unternehmen. Damit sich datenbasierte Geschäftsmodelle in der EU etablieren können, ist es wichtig, einen innovationsfreundlichen, allgemeingültigen und sicheren Rechtsrahmen zu haben. Mit Blick auf den Datenzugang und die Weiterverwendung von industriellen Daten müssen rechtliche Unklarheiten, die die derzeitige Fassung des Data Acts aufweist, geklärt werden. Um die Datennutzung innerhalb Europas zu stärken, benötigen die Unternehmen Mechanismen für den Datenaustausch, Standards, Schnittstellen sowie den Aufbau einer offenen, transparenten und vertrauenswürdigen binneneuropäischen Dateninfrastruktur. 8. Chancen der Künstlichen Intelligenz ergreifen Bei der Ausgestaltung rechtlicher Rahmenbedingungen für Künstliche Intelligenz (KI) am Standort Europa ist es wichtig, die Sicherheit, Transparenz und Vertrauenswürdigkeit von KI-Systemen zu stärken und gleichzeitig innovationsfreundliche Rahmenbedingungen zu erhalten. Gesetzliche Regelungen dürfen keine unnötigen Hemmnisse für die Weiterentwicklung bei KI aufbauen und sollten innovationsfördernd wirken. Europa sollte die Chancen der Technologie ergreifen und eine Vorreiterrolle bei der Schaffung von sicherer, transparenter und vertrauenswürdiger KI einnehmen. 9. Cybersicherheit stärken Für kritische Infrastrukturen und weitere wichtige Unternehmen bestehen bereits gesetzliche Vorgaben. Insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen sollten aber nicht unverhältnismäßig mit Dokumentationspflichten und Haftung belastet werden. Der Entwurf des Cyber Resilience Act erscheint als ein richtiger Ansatz, der aber nicht über das Ziel hinaus Innovationen, z. B. im Bereich der Open Source-Lösungen, verhindern darf. 10. Fachkräfte entwickeln, gewinnen und halten Der Fachkräftemangel ist sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland eine der größten Herausforderungen für Wirtschaft und Gesellschaft. Und wurde in der aktuellen Frühsommerkonjunkturumfrage der DIHK als zweithäufigstes Geschäftsrisiko genannt – nach den Energie- und Rohstoffpreisen. 62 Prozent aller Unternehmen sehen darin ein Problem. Mit Blick auf die betriebliche Fachkräftesicherung sollte von den Mitgliedstaaten europaweit eine intensive Berufsorientierung zur Regel gemacht werden. Hierbei sollten auch die berufliche Qualifizierung, die Chancen der betrieblichen Ausbildung und der höheren Berufsbildung als gleichwertige Alternative zur akademischen Bildung aufgezeigt werden. Auch die Migration von Arbeitskräften aus dem außereuropäischen Ausland wird eine immer wichtigere Rolle spielen, die Rekrutierung aus Drittstatten ist jedoch oftmals langwierig, bürokratisch und kompliziert. Nur wenn es Europa gelingt, die nachhaltige Transformation der Wirtschaft mit globaler Wettbewerbsfähigkeit zu verbinden, kann der Wirtschaftsstandort Europa wieder an Attraktivität gewinnen und sich nicht nur selbst zukunftssicher aufstellen, sondern auch zu einem Modell für andere Regionen in der Welt werden.
Die meisten Menschen, die in den Niederlanden von zu Hause aus arbeiteten, taten dies zeitweise und somit nicht mehr als die Hälfte ihrer üblichen Arbeitszeit. Zwischen 2021 und 2023 stieg diese Zahl um fast 700.000 auf 3,8 Millionen. Dies ist auch im Zuge der Corona-Krise zu betrachten, welche die Flexibilität und die Akzeptanz von Fernarbeit erheblich erhöht hat. In Deutschland beispielsweise hat die gesetzliche Pflicht zum Angebot von Homeoffice während der Pandemie viele Arbeitsplätze in die eigenen vier Wände verlagert. Flexibilität und Kaffeeklatsch Attraktiv ist das Homeoffice vor Allem mit Hinblick auf gesteigerte Flexibilität, welche auch zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beiträgt. Darüber hinaus lassen sich lästige Arbeitswege im überfüllten ÖPNV oder Staus im Auto vermeiden. Letztlich ein Argument, dass sich auch positiv auf das Klima auswirkt. Nichtdestotrotz bedeutet Homeoffice gleichermaßen, dass der Kaffeepausenklatsch wegfällt und KollegInnen seltener in den Austausch untereinander treten. Hier gilt jedoch, was dem einen gefällt, stößt dem anderen sauer auf. Ein großer Teil der Niederländer scheint seine Wahl getroffen zu haben. Spitzenreiter der EU Wenn es um die Arbeit aus dem Homeoffice geht, sind die Niederlande Spitzenreiter unter den EU-Mitgliedsstaaten. Im Jahr 2022 arbeiteten laut internationalen Zahlen des CBS 51 Prozent der ArbeitnehmerInnen in den Niederlanden von zu Hause aus. Insbesondere der Anteil der Beschäftigten, die angeben, manchmal im Homeoffice zu sein, ist in den Niederlanden hoch. Deutschland lag im internationalen Vergleich 2022 mit 24 Prozent knapp über dem EU-weiten Durchschnitt. Laut ifo ist der Freitag dabei der beliebteste Homeoffice-Tag in Deutschland. In 55 Prozent der befragten Unternehmen ist er der häufigste Tag für das Arbeiten von zuhause aus – gefolgt vom Montag mit 35 Prozent. Branchenspezifische Trends Die Nutzung des Homeoffice variiert stark je nach Branche und den verfügbaren Möglichkeiten. Sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland arbeiten Personen in IT-Berufen und kreativen oder sprachlichen Tätigkeiten am häufigsten von zu Hause aus. Im Jahr 2023 taten dies neun von zehn Niederländern zumindest manchmal. Personen in dienstleistungsorientierten Berufen, Transport- oder Logistikberufen nutzen das Homeoffice hingegen weniger häufig. Trotz dieser Unterschiede ist das Homeoffice in der heutigen Arbeitswelt kaum noch wegzudenken. Im Durchschnitt verbringt ein Niederländer 15 Stunden pro Woche im Homeoffice, was fast zwei vollen Arbeitstagen entspricht. Diese Entwicklung spiegelt den zunehmenden Wunsch nach Flexibilität und Work-Life-Balance wider, der sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland zu beobachten ist. Text: Vivien Caesar